Kommende Veranstaltungen

Dienstag, 29. August 2023

Der Ritter Verlag zu Gast und Buchkönigins letzter Akt

Am Dienstag, den 29. August ist es dann soweit: die letzte, wirklich allerletzte Lesung findet in der Buchkönigin statt. Ich muss etwas ausholen, weil es mir ein persönliches Anliegen war, noch einmal eine Veranstaltung mit dem österreichischen Ritter Verlag zu machen und es etwas ungewöhnlich ist - es werden nur Männer lesen...das ist in erster Linie der Tatsache geschuldet, dass die meisten der Menschen, die hier lesen werden eben schreibende Männer sind, die in Berlin leben und im Ritter Verlag veröffentlichen. In der Kürze der Zeit war es nicht möglich, noch weitere Autorinnen aus Österreich hier herzubringen. Aber, ich möchte hier einmal sagen: ich schätze wirklich jede und jeden dieser Autoren und Autorinnen im Ritter Verlag. Es gibt da diese unglaublich gute, spannende und mutige Reihe "Ritter Literatur" die unbedingt zu meinen liebsten Editionen im deutschsprachigen Raum gehört!

 

Wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder Lesungen mit dem Ritter Verlag organisiert und die stehen für mich, wie kaum etwas anderes, für die Eigenwilligkeit, die Experimentierfreudigkeit und die Liebe zur Literatur, die wir hier in der Buchkönigin immer so besonders mochten und darstellen wollten.

 

Auch am diesem Abend gibt es Texte, die in erster Linie von der Darbietung und der Stimme der Autoren leben. Und sich oft erst durch das direkte Erleben zugänglich zeigen.

 

Also, freut Euch und seid gespannt, es wird besonders und besonders schön und klug und interessant.

 

Es lesen:

 

Mark Kanak: Lügendetektor, Günter Eichberger: Weltverlust, ralf b. korte: tagewaise. notate, Stefan Schweiger: schatten: höhle: hölle

 

Mark Kanak: Lügendetektor // Lie Detector, Deutsch/Englisch, erscheint im Herbst 2023

 

Drall träumt von Ella, Ella träumt von Drall, und keiner der beiden traut dem anderen. Dass nichts so ist, wie es scheint, gilt als Credo in Mark Kanaks Prosabuch Lügendetektor, das in zwei Spalten formatiert, links die Perspektive des Mannes auf Deutsch, rechts auf Englisch, hier allerdings immer wieder durch Ella zurechtgerückt, zeigt. Freilich erweist sich auch dieser Eindruck als fraglich: beide Textspuren könnten genauso gut im Kopf eines/r einzigen ablaufen. In satirischer Überzeichnung führen Dralls Auslassungen und Ausschweifungen einen durch und durch sexualisierten Münchhausen vor, und ebenso konsequent lässt Mark Kanak diverse Diktate zu gegenderter Sprachverwendung ad absurdum laufen. Der Diskurs um Monogamie und Untreue dient dem Autor als Rahmen zur Ausbreitung einer kultur- und technikgeschichtlichen Text- und Bild-Collage zu Polygraphen und Wahrheitsdrogen sowie deren forensische, nachrichtendienstliche oder private Anwendungen. Lügendetektor gibt ein heiter-bestürzendes Panorama wahrer und fiktiver Fakten zur Mentiologie (Lügenkunde) und reitet einen furiosen Angriff auf die Verlogenheit eines Systems, das die Lizenz zum Flunkern und Bemänteln von oben nach unten stets unterschiedlich verteilt.

 

Ralf B. Korte: tagewaise. notate, erscheint im Herbst 2023

 

Ein Anfang an der Supermarktkasse, ein Gedrängel um Plätze, das sich wie anderes nach seriellem Prinzip wiederholen wird. Tage laufen ab zwischen Besorgungen und Beobachtungen, nebenbei findet ein Krieg statt, der Preise und Verhalten verändert. Medial Vermitteltes fließt durch manche intime Vergegenwärtigung des Erzählers, zu dessen lebenserhaltenden Routinen neben Lesen und Schreiben das Zwiegespräch mit einer oder mehreren anderen gehört: gewesenen und gegenwärtigen Geliebten oder Konkurrent:innen im Feld der Sprachkunst vielleicht. Konkretes Handeln verschwindet nahezu hinter dem Vorhang aus zitierten Fakten und sich bisweilen mit der Außenwahrnehmung verschmelzenden Jugend- und Familienerinnerungen. Dazwischen geschliffene Notate zum disparaten Sein eines sonstwo Übriggebliebenen, wo Anschluss an eine zunehmend retrograde Betriebsumgebung als Option wenig erstrebenswert erscheint. Der in der Partystadt Lebende zeigt sich als feinnerviger Analyst sozialer Distinktion in einer Zeit rasant wechselnder pseudo-egalitärer Marktdiktate. Dem Aktualitätsgetue zeitnaher Literaturprodukte setzt Ralf B. Korte die Schlüssigkeit einer an den Avantgarden geschärften Redeweise entgegen.

 

Günter Eichberger: Weltverlust, bereits erschienen

 

Ein Mann wird zum Arzt geschickt, weil er Visionen hat, die für ihn umgehend Gestalt annehmen. Die Stadt Graz erscheint ihm als ein kleines Venedig mit Gondeln auf der Mur, gleichzeitig – so behauptet er – halte er sich als Toter in Istanbul auf. Er glaubt einem Buch, das „Weltverlust“ heißt, entsprungen zu sein. Günter Eichbergers Prosa umspielt mit dichterischem Esprit Theoreme des Konstruktivismus ebenso wie Topoi des Anarchismus. Bei aller Erfindungslust und Neigung zum Grotesken erweisen sich Eichbergers phantastische Szenarien auf frappierende Weise als welthaltig. Seine Fabulierkunst übersetzt drohende Entwicklungen von Trans-Humanisierung in skurrile Bilder handfester Körperlichkeit. Ein Gegengewicht zur herzhaft brachialen Komik seiner Plots stellt Günter Eichbergers Sprachsatire dar, die mit feinem Besteck den in wohlfeilen Phrasen verborgenen Hintersinn freilegt und solcherart den Blick auf virulente gesellschaftliche Widersprüche zu schärfen vermag.

 

Stefan Schweiger: schatten: höhle: hölle, erscheint im Winter 2023

 

Die Prosa schatten: höhle: hölle stellt die stringente Fortführung der im Ritter Verlag erschienenen Bücher „liegen bleiben“ (2016) und „hypnos redance“ (2019) dar. Während im ersten Band der Trilogie das Thema Selbstaufgabe konjugiert wird, kennzeichnet den zweiten ein Aufbäumen gegen Tendenzen von Selbst-Auflösung und Deshumanisierung. In schatten: höhle: hölle artikuliert sich eine polyphon durchsetzte Stimme, welche eine Art Übertritt und das allmähliche Aufgehen in einer entsubstantiierten Welt beschreibt. Damit bleibt der Autor seinem Schreib- und Forschungsabenteuer treu, Möglichkeiten philosophisch-dichterischer Rede heute in Hinblick auf das historische Erbe und das kulturelle Unbewusste auszuloten. Aspekten des Katastrophischen, Verbrannten, Zersetzten und mechanisch Ersetzten begegnet Stefan Schweiger mit einer hybriden Poetik der Autoreflexion, in der sich Unterschiede zwischen Erinnertem, Erfundenem, Geträumtem sowie Kommentaren und Einsprüchen auflösen. Mit selten erreichter Präzision und stilistischer Wucht nähert sich der Text schatten: höhle: hölle (post)zivilisatorischen Brüchen, lässt Relikte von Subjektivität, letzte Reste des Menschlichen im Echoraum einer dystopischen Nicht-Welt nachhallen.

 

die kalligraphie der eingeweide durchschritten. der körper ausgelöst. schatten, die alles durchwandern. mit den schriftzügen über den städten. ein sonnengeflecht weit dahinter, irgendwo.“

 

Mark Kanak, geb. 1965 in Belleville, Illinois. Autor, Übersetzer, Tonarbeiter, lebt in Berlin. Zahlreiche Übersetzungen ins Englische (Serner, Brinkmann, Burger, Pessl, Gangl, Römer, Sperl, Crauss, Antonic, Reyer, u.a.). Bisher im Ritter Verlag erschienen: Tractatus illogico-insanus (2022).

 

Günter Eichberger, geboren 1959 in Oberzeiring (Steiermark), lebt als freier Schriftsteller in Graz. Im Ritter Verlag erschienen zuletzt: Hirn ohne Grenzen (2017) Stufen zur Vollkommenheit (2019) Bosch oder Der Einzige und seine Einzelzelle (2020)

 

ralf b. korte, geboren 1963 in Ulm. Studien in Konstanz und Graz, lebt seit 1993 in Berlin und Graz. Seit 1990 Performances mit wechselnden Beteiligten der shelter performance group, seit 1993 Redakteur der perspektive – hefte für zeitgenössische literatur. Seit 2003 Veranstaltung von TextTotal, einem Literatursalon mit D. Holland Moritz und Uwe Warnke zu aktuellen Entwicklungen in der Lyrik. Zuletzt im Ritter Verlag erschienen: D‘ANNUNZIO. D‘ANNUNZIO.. (2008) neulich war schon oder (2015)

 

Stefan Schweiger, geboren 1967, seit 1991 Sozialpsychologe und freier Autor in Berlin. Im Ritter Verlag erschienen zuletzt: liegen bleiben (2016) und hypnos redance (2019)

 

Bei Sekt, Bier und Schnittchen wird  das sehr sicher noch ein schöner, langer Abschiedsabend !

 

 

 

Tür auf: 19:00 Beginn: 19:30